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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 23.07.2008
Aktenzeichen: 9 WF 151/08
Rechtsgebiete: ZPO, BGB
Vorschriften:
ZPO §§ 567 ff | |
ZPO § 620c Satz 1 | |
ZPO § 620d | |
BGB § 1671 Abs. 1 | |
BGB § 1671 Abs. 2 Nr. 2 |
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss
9 WF 151/08 Brandenburgisches Oberlandesgericht
In der Familiensache
betreffend das Kind M... M..., geboren am .... Oktober 2002,
hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch die Richterin am Oberlandesgericht Rohrbach-Rödding als Einzelrichterin
am 23. Juli 2008
beschlossen:
Tenor:
I. Die sofortige Beschwerde des Kindesvaters gegen den Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 26.05.2008 - Az. 51 F 105/08 - wird zurückgewiesen.
II. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Beschwerdewert wird auf 1.000 € festgesetzt.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
V. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.
Gründe:
Die gemäß §§ 620c Satz 1, 620d, 567 ff ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Das Amtsgericht hat zu Recht im Weg der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind M... sowie das Recht zur Anmeldung in einem Kindergarten der Kindesmutter bis zur Entscheidung in der Hauptsache übertragen. Über den hilfsweise gestellten Antrag des Kindesvaters auf eine Regelung seines Umgangsrechts hat das Amtsgericht in seinem Beschluss vom 26.05.2008 noch keine Entscheidung getroffen und auch keine Entscheidung treffen wollen. Der angefochtene Beschluss stellt lediglich eine Teilentscheidung über die gestellten Eilanträge dar. Da über die Fragen des Umgangsrechts bislang keine Regelung getroffen worden ist und das Verfahren über den Erlass einer einstweiligen Anordnung betreffend den Umgang noch vor dem Amtsgericht anhängig ist, hat der Senat auch auf die vorliegende sofortige Beschwerde hin insoweit keine Überprüfung vorzunehmen.
Soweit der Kindesvater die einstweilige Regelung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht angreift, wird zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts in seinem angefochtenen Beschluss Bezug genommen.
Gemäß § 1671 Abs. 1; Abs. 2 Nr. 2 BGB ist bei Eltern, denen das Sorgerecht für ein Kind gemeinsam zusteht und die nicht nur vorübergehend voneinander getrennt leben, die elterliche Sorge einem Elternteil allein zu übertragen, wenn bei widerstreitenden Anträgen zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf einen Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Dabei besteht kein gesetzliches Regel-AusnahmeVerhältnis in dem Sinne, dass eine Priorität für die gemeinsame Sorge bestünde und die Übertragung der Alleinsorge auf einen Elternteil nur in Ausnahmefällen in Betracht käme (BGH NJW 2000, 203; FamRZ 2008, 592). Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass eine dem Kindeswohl entsprechende gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und insgesamt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraussetzt (BVerfG FamRZ 2004, 354; BVerfG FamRZ 2004, 1015; BGH, FamRZ 2008, 592)). Die Beurteilung des Kindeswohls hat sich dabei an den Grundsätzen der Kontinuität, der Förderung, der Bindung des Kindes an seine Eltern und sonstige Bezugspersonen sowie am geäußerten Kindeswillen zu orientieren (BGH FamRZ 1990, 392).
Dies gilt uneingeschränkt auch, soweit es nur um Teilbereiche der elterlichen Sorge geht. In besonderem Maße gelten die dargestellten Grundsätze, wenn es wie hier um das Aufenthaltsbestimmungsrecht geht, weil es sich bei Entscheidungen zum künftigen Lebensmittelpunkt des Kindes um Angelegenheiten von erheblicher Tragweite für das Kind handelt. Auch soweit die Eltern nur die vorläufige Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts begehren, ist die Entscheidung im Rahmen der im einstweiligen Anordnungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung an den zuvor genannten Grundsätzen zu messen.
Die zumindest vorläufige Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge hinsichtlich des Aufenthaltsbestimmungsrechts hat zu erfolgen, weil die Eltern jedenfalls derzeit nicht in der Lage sind, sich über den Lebensmittelpunkt für M... zu einigen. Es ist auch nicht absehbar, dass sich das Verhältnis der Kindeseltern zueinander in Kürze nachhaltig bessern könnte und sie bereit und in der Lage sind, alsbald wieder zum Wohl des Kindes zusammen zu wirken.
Ungeachtet der Frage, wie es zu dem Zerwürfnis zwischen den Kindeseltern gekommen ist, steht der Konflikt auf der Paarebene derzeit einem vernünftigen Zusammenwirken im Hinblick auf das gemeinsame Kind im Wege.
Für die vorläufige Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Kindesmutter spricht jedenfalls der wiederholt geäußerte Wunsch des Kindes. M... hat sowohl bei ihrer Anhörung in erster Instanz am 21.05.2008 als auch gegenüber der Verfahrenspflegerin Anfang Juli 2008 den Wunsch geäußert, bei ihrer Mutter zu leben. Selbst wenn das Kind mit 5 1/2 Jahren und unter dem Eindruck der Trennungssituation diesen Wunsch nicht unbeeinflusst entwickelt haben sollte, steht dies seiner Beachtung im Eilverfahren nicht entgegen. Wie maßgeblich der Kindeswille für die abschließende Entscheidung sein kann, wird das Amtsgericht mit Unterstützung des bereits bestellten Sachverständigen noch zu ermitteln haben.
Dass der Kindesvater in für M... belastender Weise und unter Gefährdung des Kindeswohls den unzweifelhaft vorhandenen Leidensdruck äußert, kann aufgrund der wenig nachvollziehbaren Schilderungen der Mitarbeiterin des Jugendamts allerdings so nicht festgestellt werden. Dass der von der Lebensgefährtin unter Mitnahme des Kindes für ihn unvorbereitet verlassene Partner, der sich bis dahin täglich um das Kind gekümmert hat, darauf mit massivem Leid reagiert, erscheint völlig verständlich. Inwieweit Druck an das Kind weitergegeben wird, ist derzeit nicht ersichtlich. Offenbar hat M... ein ungestörtes herzliches Verhältnis zu ihrem Vater. Warum es angebracht sein soll, Umgang nur begleitet zuzulassen. obwohl der Kindesvater bis vor kurzem trotz seiner Erkrankung das Kind ständig bereut hat, ist wenig verständlich. Die verständliche Reaktion des Vaters kann nach derzeitiger Sachlage kein Grund dafür sein, ihm die Erziehungseignung abzusprechen. Auch insoweit wird das Amtsgericht die nötigen Feststellungen noch zu treffen haben.
Für das Verfahren der einstweiligen Anordnung steht jedoch im Vordergrund, dass das Kind, das unter der Trennung der Eltern ohnehin zu leiden hat, nicht noch durch ein unnötiges Hin-und Her zwischen den Eltern in seinem Wohlbefinden gestört wird. Ein häufiger Wechsel der Bezugs- und Betreuungsperson insbesondere bei jüngeren Kindern ist deren Entwicklung eher schädlich. Wenn - wie hier - derzeit nicht absehbar ist, dass das Kindeswohl durch einen weiteren Aufenthalt bei demjenigen Elternteil, in dessen Obhut es lebt, gefährdet wird und in der Hauptsache eine Übertragung des Aufenthaltbestimmungsrechts auf den anderen Elternteil ganz überwiegend wahrscheinlich ist, hält es der Senat für geboten, im Interesse des Kindes keinen Wechsel der unmittelbaren Bezugsperson anzuordnen. Es bestünde sonst die Gefahr eines mehrfachen Aufenthaltswechsels im Lauf des Verfahrens, je nach dessen Stand und Verlauf. Dies muss aus Gründen des Kindeswohls vermieden werden, auch wenn es für den Elternteil, der das Aufenthaltsbestimmungsrecht nicht ausüben kann eine besondere Belastung darstellt. Die berechtigten Belange des Kindesvaters müssen hier im vorrangigen Interesse des Kindes zurückstehen.
Im vorliegenden Fall hat auch der Kindesvater keine Umstände dargelegt, die einem Verbleib M... bei ihrer Mutter derzeit entscheidend entgegenstehen. Der Kontinuitätsgrundsatz, der auf der Erfahrung beruht, dass die Fortdauer familiärer und sozialer Beziehungen wichtig für eine stabile und gesunde psychosoziale Entwicklung des Kindes ist, führt nicht zu einem dem Beschwerdeführer günstigen Ergebnis. Danach empfiehlt sich eine Übertragung des Sorgerechts (bzw. von Teilen des Sorgerechts) auf denjenigen Elternteil, der die Einheitlichkeit, Gleichmäßigkeit und Stabilität der Erziehungsverhältnisse und seiner äußeren Umstände am besten gewährleisten kann (OLG Düsseldorf, FamRZ 1995, 1511). Hier haben sich während des Zusammenlebens beide Eltern um M... gekümmert, wobei die Erziehungsanteile zwischen den Eltern streitig und im vorläufigen Verfahren nicht aufklärbar sind. Selbst wenn der Beschwerdeführer in der Vergangenheit größeren Anteil an der Betreuung gehabt haben sollte, so darf nicht verkannt werden, dass das Kind nunmehr seit fast 5 Monaten mit der Mutter bei den Großeltern mütterlicherseits lebt, in einen Kindergarten geht und sich wohlfühlt, was auch der Kindesvater nicht in Abrede stellt. Dass es auf Betreiben der Kindesmutter zu einem Wechsel des besuchten Kindergartens gekommen ist, stellt deren Handeln zum Wohl des Kindes nicht infrage. Zum einen hatte M... die Kita in C... erst seit 9 Tagen besucht, zum anderen war der Wechsel umzugsbedingt.
Das Jugendamt des Landkreises S... hat in seinem Bericht vom 08.04.2008 keine Bedenken gegen einen weiteren Aufenthalt des Kindes bei seiner Mutter geäußert und anschließend aufgrund eines im Weg der Amtshilfe eingeholten Berichts des für den Wohnsitz des Kindesvaters zuständigen Jugendamtes C... vom 24.04.2008 mitgeteilt, auch gegen einen Aufenthalt beim Kindesvater bestünden keine Bedenken.
Die Verfahrenspflegerin hat in ihrer Stellungnahme vom 11.07.2008 ausgeführt, das Kind habe zu beiden Eltern eine enge und liebevolle Beziehung. Es habe den Wunsch geäußert, weiterhin bei der Mutter zu leben.
Gegen die grundsätzliche Erziehungseignung der Kindesmutter bestehen derzeit keine durchgreifenden Bedenken. Zweifel hinsichtlich der Bindungstoleranz durch Nichtgewährung des dringend erforderlichen Umgangs M... mit ihrem Vater bestehen zwar; derzeit lässt sich aber nicht feststellen, inwieweit die Probleme beim Umgang auf dem Verhalten beider Eltern beruhen. Auch dieser Frage wird das Amtsgericht durch Einholung eines Gutachtens noch nachgehen. Außerdem können beide Eltern ihren Willen, zum Wohl des Kindes zu handeln, dadurch unter Beweis stellen, dass sie sich bemühen, Vater und Tochter einen großzügigen und ungestörten Umgang, auch unter Annahme der seitens der Jugendämter angebotenen Hilfen, zu ermöglichen.
Die Entscheidung über das Rechtsmittel kann ausnahmsweise ohne erneute Anhörung des Kindes erfolgen, weil die durch das Amtsgericht erfolgte Anhörung erst kurze Zeit zurückliegt. Von einer erneuten Anhörung des Kindes ist derzeit kein ergänzender Aufschluss zu erwarten; ein aktueller schriftlicher Bericht der erstinstanzlich noch nicht angehörten (weil erst später bestellten) Verfahrenspflegerin liegt vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Beschwerdewerts ergibt sich aus § 30 Abs. 2, 3 KostO.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.
Da die sofortige Beschwerde aus den oben dargestellten Gründen keine Aussicht auf Erfolg hat, war dem Beschwerdeführer Prozesskostenhilfe nicht zu bewilligen, § 114 ZPO.
Ende der Entscheidung
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